Die Episode ist verbürgt. Eine Persönlichkeit, die zwar kein Mandat beim Klub hat, aber ZSC-Manager Peter Zahner und den Spielern nahesteht, wird am Rande eines Halbfinalspiels gegen den HCD gefragt: Wer ist eigentlich Spielertrainer der ZSC Lions? Seine Antwort, ohne zu zögern: «Der Malgin».
Denis Malgin als ZSC-Spielertrainer? Das ist er natürlich nicht. Die Frage war auch nicht ganz ernst gemeint. Und trifft doch einen Kern der Diskussionen im Universum der Hockey-Löwen.
Die ZSC Lions haben mit ziemlicher Sicherheit die beste Mannschaft überhaupt, die je seit Einführung der Playoffs (1986) unsere Meisterschaft bestritten hat. Sowohl was die Qualität und die Breite des Kaders, aber auch das Umfeld betrifft (Management, Organisation, wirtschaftliche Stabilität, Infrastruktur).
Sie ernten die Früchte einer klugen, beharrlichen jahrzehntelangen Arbeit mit dem Aufbau der grössten Nachwuchsabteilung im Land (diese Saison sind sämtliche Junioren-Meisterschaften gewonnen worden!) und dem Unterhalt eines Farmteams in der Swiss League.
Mit der neuen, eigenen Arena hat die gesamte Organisation inzwischen eine neue DNA entwickelt, die zuvor so als «Gast» im Hallenstadion nicht möglich war. Die ZSC Lions sind gut, mächtig, selbstsicher wie nie zuvor. Aber nicht arrogant. Sie haben die Voraussetzungen zum Aufbau einer Dynastie.
Die Finalqualifikation nach dem Gewinn der Champions League ist ein historischer Erfolg für Marco Bayer: Sean Simpson hat mit den ZSC Lions 2009 den europäischen Klubwettbewerb auch gewonnen. Aber dann scheiterten die Zürcher in den Playoffs bereits im Viertelfinal gegen Gottéron. Auch Jan Cadieux ist es nach dem Triumph in der Champions League im letzten Frühjahr nicht mehr gelungen, «nachzuladen». Er erreichte nicht einmal mehr die Playoffs.
Die provokative Feststellung, Marco Bayer habe Ende Dezember von Marc Crawford ein Team übernommen, das am Telefon zum Titel gecoacht werden kann, mag respektlos sein. Sie trifft hockeytechnisch aber zu. Daher kommt diese Frage nach dem Spielertrainer: Die Mannschaft ist so gut, dass sie eigentlich gar keinen Trainer braucht. Es genügt, wenn einer der Leitwölfe – in diesem Falle Denis Malgin – den Weg weist. Oder?
Das ist natürlich Unsinn und gegenüber dem ZSC-Coach eine Respektlosigkeit sondergleichen. Aber keineswegs einzigartig. Auch bei Nationaltrainer Patrick Fischer gibt es hin und wieder die boshafte Anmerkung, wenn Roman Josi als Spielertrainer bei der WM dabei sei und in der Kabine zum Rechten sehe, könne eigentlich nichts schiefgehen. Und tatsächlich war der NHL-Verteidiger der Leitwolf in beiden WM-Finalteams von Patrick Fischer – und auch schon bei Sean Simpsons Silberhelden von 2013.
Marco Bayer und Patrick Fischer sind Schweizer. Trainer mit Schweizer Pass haben sich zwar längst durchgesetzt. Aber nach wie vor gibt es unterschwellig so etwas wie «Hockey-Rassismus» gegenüber helvetischen Trainern. Sie werden kritischer beurteilt als ausländische Berufskollegen.
Der entscheidende Punkt ist bei den ZSC Lions oder beim Nationalteam: Wenn Spieler eine Leader-Rolle übernehmen – wie in unserem Beispiel Denis Malgin oder Roman Josi – dann funktioniert das nur, wenn ihnen ein kluger Trainer Freiräume lässt. Dafür ist feines, psychologisches Geschick erforderlich. Nichts ist für einen «Bandengeneral» so schwierig wie junge selbstbewusste Männer, die mehr verdienen als er selbst, dazu zu bringen, für ihn bis an oder über die Leistungsgrenze hinauszugehen. Es kann schwieriger sein, eine gute als eine schwache Mannschaft zu coachen.
Wäre Marco Bayer Nordamerikaner und hätte irgendwo in einer Provinz-Uni in Amerika einen Master in Sportpsychologie gemacht oder wenigstens als Küchenbursche im esoterischen Esalen-Institut in Kalifornien gedient, so würde er als meisterhafter Psychologe, ja als Guru, als Wundertrainer und Schweizer Antwort auf den berühmten US-Sportpsychologen Dr. Saul Miller gefeiert. Seine Bescheidenheit würde als Weisheit gedeutet und er könnte im Sommer gegen hohe fünfstellige Honorare Kurse für Führungskräfte aus Wirtschaft und Politik geben.
Aber eben: Marco Bayer ist kein Guru. Er ist durch und durch seriöser Schweizer und in der Charisma-Skala Buchhalter Nötzli näher als General Guisan. Er hat nach einer schönen Spielerkarriere mit über 800 Partien in der höchsten Liga und zwei Meistertitel sein Trainer-Handwerk von Grund auf bei den Junioren, als Assistent (mit Lars Leuenberger 2016 in Bern Meister), als Sportchef, als Junioren-Nationaltrainer und als Chef des Farmteams (GCK Lions) erlernt. Zu seriös, um als Magier verehrt zu werden. Eigentlich einer, der sein Licht unter den Scheffel stellt. Also kein Hexenmeister der Selbstvermarktung wie so viele Nordamerikaner.
Wäre Marco Bayer also Nordamerikaner, dann hätten die ZSC Lions den Trainervertrag mit ihm längst vorzeitig verlängert. Das haben sie zwar. Aber Manager Peter Zahner und Sportchef Sven Leuenberger trauen der Sache noch nicht ganz und lassen es im Vertrag offen, ob Marco Bayer nächste Saison erneut die ZSC Lions dirigieren darf oder für ein geringeres Entgelt zum Farmteam zurückkehren muss.
Am Rande des Playoff-Finals sorgt die Frage nach der Zukunft von Marco Bayer für Kurzweil: Bleibt er Trainer der ZSC Lions oder wird er zu den GCK Lions zurückgeschickt?
Wagen wir eine Prognose: Wenn Marco Bayer will, dann beginnt er die nächste Saison als ZSC-Trainer. Peter Zahner und Sven Leuenberger können eigentlich gar nicht mehr anders entscheiden: Ein Trainer aus den eigenen Reihen, sogar ein Zürcher, hat nicht nur das Erbe von Marc Crawford – eines charismatischen NHL-Bandengenerals – verwaltet. Er hat es veredelt und die geforderten Resultate geliefert. Mehr als ein Final kann nicht verlangt werden. Bei einem Final in einem so unberechenbaren Spiel ist alles möglich.
Wäre Marco Bayer im Viertelfinal gegen Kloten oder im Halbfinal gegen Davos gescheitert, dann hätten Peter & Sven ein zwingendes Argument für eine Rückversetzung ins Farmteam. Nun haben sie unabhängig vom Ausgang des Finals keines mehr. Schliesslich ist einst Christian Weber – ein Zürcher und auch er zuvor Trainer der GCK Lions – im Frühjahr 2005 nach einer ehrenvollen Finalniederlage gegen Davos auch im Amt geblieben.
Der ZSC könnte Meister werden mit einem Trainer, der eigentlich zuwenig gut ist. Weil die ZSC-Maschine einfach läuft.
Vielleicht ist Bayer aber auch Top. Er erinnert etwas an Hansi Flick. Der durfte bei Bayern auch zuerst nur den Notnagel spielen, war aber dann besser als erwartet und ist nun eine Grösse.
Trotzallem bin ich ihrgendwie doch nicht ganz zu frieden mit ihm. Wenn ich ihn an der Bande sehe habe ich einfach das Gefühl er nimmt zu wenig Einfluss (ich weiss nicht wie es in der Kabine aussieht).
Schwierig